Universität Wien

190097 SE M1b Bildungswissenschaft als Disziplin (2017S)

Die Konstitution der Bildungswissenschaft im Lichte der Verhältnisbestimmung von Theorie und Empirie.

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Dienstag 07.03. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 21.03. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 04.04. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 02.05. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 16.05. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 30.05. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 13.06. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG
Dienstag 27.06. 16:45 - 20:00 Seminarraum 6 Sensengasse 3a 2.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Inhalte:
In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit der Frage nach dem Einfluss der Verhältnisbe-stimmung von Theorie und Empirie auf Form, Art und Charakter der Konstitution der Disziplin Bildungswissenschaft. Welchen Einfluss hat das Verhältnis von Theorie und Empirie auf den Status der Bildungswissenschaft als Wissenschaft? Welche Verhältnisbestimmungen wurden vorgenommen, wie werden diese in ihrem Geltungsanspruch legitimiert und welche Bedeutung hat dies für den Charakter der Bildungswissenschaft?
Bereits in den 1960er Jahren hat die Hinwendung der Pädagogik zu erfahrungswissenschaftli-chen Methoden eine intensive Auseinandersetzung entfacht. In seiner 1962 gehaltenen An-trittsvorlesung an der Georg-August-Universität zu Göttingen sprach Heinrich Roth von einer realistischen Wendung innerhalb der Pädagogik und forderte damit die Hinwendung der Pä-dagogik zu den Naturwissenschaften und ihren Methoden. (vgl. Roth 1962) Wolfgang Bre-zinka wiederum forderte die Entwicklung der Pädagogik zu einer (empirisch-analytischen) Erziehungswissenschaft unter den Vorzeichen des wissenschaftstheoretischen Modells Karl Poppers, des Kritischen Rationalismus. (vgl. Brezinka 1968) Sowohl das dritte Salzburger Symposion 1966 mit dem Titel Zur Bedeutung der Empirie für die Pädagogik als Wissen-schaft (Heitger 1966), als auch das vierte 1967 mit dem Titel Möglichkeiten und Grenzen des empirisch-positivistischen Ansatzes in der Pädagogik (Heitger 1968) beschäftigte sich wiede-rum kritisch mit den epistemologischen (also wissenschaftstheoretischen und erkenntnispolitischen) Implikationen der wachsenden Forderung nach Rezeption und Implementierung na-turwissenschaftlicher Methoden in und innerhalb der Pädagogik.
Auch im Zuge des kontemporären bildungswissenschaftlichen Diskurses setzt sich die diszip-linkonstituierende Bedeutung dieser Thematik, in Form der Frage nach der Verhältnisbestim-mung von Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung, fort (vgl. Koller 1999, Schä-fer 2006). Vor allem unter Bezug auf Hans-Christoph Kollers transformatorische Bildungs-theorie (Koller 1999; 2012), sowie Alfred Schäfers bildungsphilosophisch begründete ethno-graphische Fremdheitsstudien (Schäfer 2011) werden wir dieser neuerlichen Verhandlung des Verhältnisses von Theorie und Empirie nunmehr in qualitativer Ausrichtung nachgehen. Wie Koller anmerkt steht hierbei einiges auf dem Spiel, da mit dieser Diskussion 'zugleich alte Streitfragen um den wissenschaftstheoretischen Status der Erziehungswissenschaft ver-bunden' (Koller 2012, 7) sind: Ist Bildungswissenschaft eine geisteswissenschaftliche Disziplin oder aber Teil empirischer Sozialforschung? Wie ist es um das Verhältnis von Theorie und Empirie bestellt? Lassen sich, Adornos Verdikt im Zuge des Positivismusstreits folgend, 'Theorie und Empirie (...) nicht in ein Kontinuum eintragen' (Adorno 1989, 83)? Handelt es sich bei Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung um widerstreitende Diskurse (vgl. Koller 2006, 115-118), die in ein arbeitsteiliges Verhältnis zu bringen wären oder liegt eine grundsätzliche Differenz zweier verschiedener Wirklichkeiten vor (vgl. Schäfer 2006)?

Ziele:
Aufarbeitung des Verhältnisses von Bildungstheorie/ Bildungsphilosophie und (qualitativ) empirischer Bildungsforschung in disziplingeschichtlicher, systematischer und epistemologi-scher Hinsicht. Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen bildungswissenschaftlicher Theoriebildung. Bedeutung von Theorie und Empirie in spezifisch bildungswissenschaftlicher Forschungsabsicht. Erarbeitung der zentralen Bedeutung des Verhältnisses von Theorie und Empirie für Gestalt und Charakter der disziplinären Struktur der Bildungswissenschaft.
Epistemologische Implikationen empiristischer, positivistischer, szientivistischer, idealisti-scher sowie philosophischer Verhältnisbestimmungen von Theorie und Empirie innerhalb der Bildungswissenschaft.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Zur positiven Absolvierung des Seminars sind folgende Teilleistungen zu erbringen:

a) Kontinuierliche Anwesenheit, vorbereitende Lektüre und Diskussionsbeteiligung im Plenum
b) Lektürereflexionen zu den Texten der Pflichtlektüre
c) Seminararbeit zu einem selbständig erarbeiteten Forschungsthema ODER Rezensionen zu drei verschiedenen Texten der Pflichtlektüre

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Methoden:
Das Seminar versteht sich als Ort der intensiven Diskussion ausgewählter Texte. Zu diesem Zweck werden in Plenumsdiskussionen gemeinsam zentrale Fragen zu den selbständig vorbereiteten Texten erörtert, welche in Kleingruppen einer vertiefenden Bearbeitung unterzogen werden und als Impulsreferate wiederum in die Plenumsdiskussion zurückgeführt werden. Es handelt sich hier demnach um ein Seminar mit Hauptaugenmerk auf genauer Exegese der Texte und den darin vorgebrachten Begründungszusammenhängen. Dabei steht die kritische Analyse der in den Texten verhandelten Inhalte im Zentrum, um die dadurch eröffneten Implikationen einer differenzierten Betrachtung zuführen zu können.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab:
Die Mindestanforderungen an einen positiven Abschluss des Seminars bestehen in:
- kontinuierlicher und aktiver Anwesenheit,
- vorbereitender Lektüre der Pflichttexte, sowie der aktiven Beteiligung an der Diskussion der Inhalte in den Seminareinheiten,
- Verfassung und Erbringung unterschiedlicher Teilleistungen (siehe 'Art der Leis-tungskontrolle') während des Semesters

Prüfungsstoff

Pflichtlektüre, sowie Diskussionsinhalte der jeweiligen Einheiten und darüber hinaus zur Verfügung gestellte Inhalte.

Literatur

Adorno, Theodor W. (131989): 'Zur Logik der Sozialwissenschaften', in: Adorno, Theodor W./ Albert, Hans/ Dahrendorf, Ralf/ Habermas, Jürgen/ Pilot, Harald/ Popper, Karl R. (Hrsg.) (131989) [1969]: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Darm-stadt: Luchterhand, S. 125-143.
Blankertz, Herwig (1982): 'Pädagogik unter wissenschaftstheoretischer Kritik', in: Oppolzer, Siegfried (Hrsg.): Erziehungswissenschaft 1971. Zwischen Herkunft und Zukunft der Gesellschaft. Wuppertal/Ratingen: Alois Henn, S. 20-33.
Brezinka, Wolfgang (1968): 'Von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft. Vorschläge zur Abgrenzung', in: Zeitschrift für Pädagogik. 14 Jg. Heft 4, S. 317-334.
Casale, Rita (2011): 'Zur Abstraktheit der Empirie. Zur Konkretheit der Theorie', in: Brein-bauer, Ines Maria/ Weiß, Gabriele (Hrsg.): Orte des Empirischen in der Bildungstheorie. Einsätze theoretischer Erziehungswissenschaft II. Würzburg: Königshausen und Neumann, S. 45-60.
Heitger, Marian (Hrsg.) (1966): Zur Bedeutung der Empirie für die Pädagogik als Wissen-schaft. Eine Kritische Auseinandersetzung über wissenschaftstheoretische Grundfra-gen der Pädagogik. Neue Folge der Ergänzungshefte zur Vierteljahrsschrift für wis-senschaftliche Pädagogik. Heft 5. Bochum: F. Kamp.
Heitger, Marian (Hrsg.) (1968): Möglichkeiten und Grenzen des empirisch-positivistischen Ansatzes in der Pädagogik. Neue Folge der Ergänzungshefte zur Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Heft 7. Bochum: F. Kamp.
Koller, Hans-Christoph (1999): Bildung und Widerstreit. Zur Struktur biographischer Bildungsprozesse in der (Post-)Moderne. München: Wilhelm Fink.
Koller, Hans-Christoph (2006): 'Das Mögliche identifizieren? Zum Verhältnis von Bildungstheorie und Bildungsforschung am Beispiel der erziehungswissenschaftlichen Biogra-phieforschung', in: Pongratz, Ludwig/ Wimmer, Michael/ Nieke, Wolfgang (Hrsg.): Bildungsphilosophie und Bildungsforschung. Bielefeld: Janus, S. 108-124.
Koller, Hans-Christoph (2012): 'Grenzsicherung oder Wandel durch Annäherung? Zum Spannungsverhältnis zwischen Bildungstheorie und empirischer Bildungsforschung', in: Zeitschrift für Pädagogik. 58 Jg. Heft 1, S. 6-21.
Koller, Hans-Christoph (2012): 'Anders werden. Zur Erforschung transformatorischer Bildungsprozesse', in: Miethe, Ingrid/ Müller, Hans-Rüdiger (Hrsg.): Qualitative Bildungsforschung und Bildungstheorie. Opladen/Berlin/Toronto: Barbara Budrich, S. 19-33.
Popper, Karl R. (131989): 'Die Logik der Sozialwissenschaften', in: Adorno, Theodor W./ Albert, Hans/ Dahrendorf, Ralf/ Habermas, Jürgen/ Pilot, Harald/ Popper, Karl R. (Hrsg.) (131989) [1969]: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Darm-stadt: Luchterhand, S. 103-123.
Roth, Heinrich (1962): 'Die realistische Wendung in der Pädagogischen Forschung', in: Neue Sammlung. Göttinger Blätter für Kultur und Erziehung. 2. Jg. Heft 6, S. 481-490.
Schäfer, Alfred (2006): 'Bildungsforschung: Annäherungen an eine Empirie des Unzugängli-chen', in: Pongratz, Ludwig/ Wimmer, Michael/ Nieke, Wolfgang (Hrsg.): Bildungs-philosophie und Bildungsforschung. Bielefeld: Janus, S. 86-107.
Schäfer, Alfred (2011): Irritierende Fremdheit: Bildungsforschung als Diskursanalyse. Paderborn/München/Wien/Zürich: Ferdinand Schöningh.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

M1b

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:37