070356 KU Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte (2017W)

Ein Haus war der sichtbare Ausdruck von sozialem Status und gesellschaftlicher Position sowohl in individuellen Lebensläufen als auch in intergenerationeller Perspektive. Als Kontor, Werkstatt, Verkaufs- und Lagerraum, als landwirtschaftliches Gut etc. fungierten Häuser als Produktionsstätte und Arbeitsort und boten damit eine Existenzgrundlage. Häuser konnten vermietet, verpachtet und verkauft werden und damit Einnahmen generieren. Zugleich waren sie Sicherstellungsobjekte für Kredite und auch Träger von Rechten. Sie stellten damit in vielerlei Hinsicht eine essenzielle Ressource dar und waren dem entsprechend mit Bedeutung aufgeladen.
In geschichtswissenschaftlichen und soziologischen Texten war das Haus immer wieder Ausgangspunkt für Projektionen einer vermeintlich besseren Vergangenheit, für Romantisierungen und Mythen über vorindustrielle Gesellschaften. Die Historische Familienforschung setzte sich ab den ausgehenden 1960er und beginnenden 1970er Jahren kritisch damit auseinander und favorisierte das Konzept des Haushalts, das in der Folge ebenfalls problematisiert wurde. Seit einigen Jahren erlebt das Thema „Haus“ in den Geschichtswissenschaften wiederum einen bemerkenswerten Aufschwung.
Ziel des Kurses ist es, ausgehend vom Haus in die Geschichte der Historiographie einzuführen, mit verschiedenen Ausrichtungen verbundene Fragestellungen, Positionen, Narrative und Zugänge herauszuarbeiten, für den Wandel und die Zeitbezogenheit historischer Forschung zu sensibilisieren, zu kritischem Lesen und systematischem Verorten von Texten anzuleiten und Orientierungswissen zu vermitteln.